Es ist schon erstaunlich, was bei Lisa Stoll alles zusammenkommt. Die junge Frau ist blitzgescheit, humorvoll, offen, sehr fleissig, sympathisch und attraktiv. Und bei alledem auch noch geerdet und alles andere als überheblich. Die Frage, wie gut sie denn auf dem Alphorn sei, bringt sie jedenfalls nur zum Lachen. «Ach, das kann man doch nicht selber beantworten», findet sie. Also sagen wir es für sie: Sie ist eine Meisterin auf ihrem Instrument.
Lisa Stoll wuchs mit ihrer Schwester und ihren Eltern im Wilchingen SH auf. Der Vater spielte im lokalen Musikverein das Kornett, und mit acht Jahren begann Lisa ebenfalls, Kornett zu spielen. Das Herzensinstrument des Vaters wurde dann aber doch nicht ihres, denn mit zehn Jahren kam sie erstmals mit einem Alphorn in Kontakt – und das war musikalische Liebe auf den ersten Blick. «Ich begleitete meine Eltern an ein Geburtstagsfest, an dem eine Frau mit einem Alphorn auftrat», erzählt sie. Und erinnert sich: «Der Klang berührte mich total.»
Kurz darauf habe ihre Mutter dem Förster in der Gemeinde erzählt, die kleine Lisa wolle unbedingt ein Alphorn haben. Und wie es der Zufall wollte, hatte der Sohn des Försters einmal aus Plausch ein Alphorn gekauft und brauchte es nicht mehr. Kaum hatte sie das begehrte Instrument erhalten, besorgte sich Lisa Stoll ein paar Alphorn-CDs und versuchte, die Melodien nachzuspielen. Sie nahm dann auch Stunden bei einem Musiklehrer, ihre Meisterschaft am Alphorn entwickelte sie letztlich aber autodidaktisch.
Meisterklassen oder ähnliche Weiterbildungsmöglichkeiten gibt es auf diesem Instrument nicht. Dabei ist das Alphorn eher kompliziert zu spielen, denn es kann nur Naturtöne produzieren, deren Höhe davon abhängt, wie schnell die Lippen vibrieren, wenn man ins Horn bläst. Der tiefste Ton, der sich dem Alphorn entlocken lässt, ist der Grundton, der zweittiefste liegt bereits eine Oktave höher, das nächste Intervall ist eine Quinte, gefolgt von einer Quarte und so weiter. «Die Möglichkeiten sind etwas begrenzt – aber man kann trotzdem fast alles spielen», sagt Lisa Stoll. Genau das fasziniere sie so am Alphorn: dass man nicht jeden Ton spielen könne und dass die Naturtonreihe eben auch ein paar schräg anmutende Klänge habe, an die man sich erst gewöhnen müsse. Stoll: «Mir gefällt eben auch, dass das Instrument so wahnsinnig simpel ist: Ein Mundstück und ein Rohr, das ist alles.»
Als Lisa Stoll etwa zwölf Jahre alt war, wollte sie wissen, wo sie mit ihrem Alphornspiel stand, «und was eigentlich andere mit diesem Instrument machen». Deshalb nahm sie an einem Folklore-Nachwuchswettbewerb teil. Die Finalisten erhielten die Möglichkeit, in Alex Eugsters Tonstudio in Dübendorf eine CD aufzunehmen. Wer sich in der Volksmusik auskennt, weiss: Zum einen war Alex Eugster Teil des legendären «Trio Eugsters», zum anderen ist sein Tonstudio eine Brutstätte volkstümlicher Musik. «Alex Eugster und ich verstanden uns sofort sehr gut», erzählt Lisa Stoll. «Und er wollte mehr mit mir machen.»
Der Produzent holte den Volksmusik-Star Carlo Brunner ins Boot, und die beiden erfahrenen Musiker schrieben für Lisa Stoll neue, exklusive Stücke. Diese waren wesentlich für den frühen Erfolg verantwortlich. «Ich spielte halt rassigere Stücke, als man es bis anhin gewohnt war», sagt Lisa Stoll. «Es ist eben entscheidend, welche Leute man um sich herum hat.» Carlo Brunner empfahl der jungen Musikerin schliesslich, am Nachwuchswettbewerb des Musikantenstadls teilzunehmen. Lisa Stoll gewann, und damit war ihr Durchbruch zum Volksmusik-Star besiegelt. Es war dann auch Carlo Brunner, der die junge Musikerin mit Obrasso Concerts in Verbindung brachte. Vor zehn Jahren trat Lisa Stoll erstmals an einem volkstümlichen Anlass der Konzertagentur im grossen Konzertsaal des KKL Luzern auf. Seither ist sie alle zwei, drei Jahre Teil einer Obrasso Concerts-Veranstaltung.
Heute könnte Lisa Stoll, die bereits fünf CDs veröffentlicht hat, problemlos von der Musik leben. «Doch ich habe auch ein gewisses Sicherheitsbedürfnis, deshalb wollte ich noch ein anderes Standbein aufbauen», sagt sie. Nach dem Gymnasium in Schaffhausen und zwei Zwischenjahren begann sie eine Touristikausbildung in Samedan. Ziel: künftig im Eventbereich tätig zu sein. Obligatorischer Teil der dreijährigen Ausbildung ist ein Praktikum. «Weil ich so gute Beziehungen zu Obrasso Concerts hatte, fragte ich dort nach, ob sie mir vielleicht einen Tipp hätten», erzählt Lisa Stoll. «Und dann sagte man mir: Hey, wir haben gerade eine Stelle frei – du kannst für ein Jahr lang zu uns kommen.» So wurde die Alphornistin Praktikantin bei der Konzertagentur. Unter anderem war sie für das Programmheft zuständig: «Jetzt weiss ich genau, was es braucht, damit ein Konzert funktioniert.»
Während der Ausbildung, die noch bis nächsten Sommer dauert, kann Lisa Stoll nur reduziert musikalisch aktiv sein; mehr als rund sechzig Auftritte pro Jahr liegen nicht drin. Sie bekommt aber etwa dreimal mehr Anfragen, die sie alle persönlich beurteilt; ein Management hat sie nicht. Nach welchen Kriterien entscheidet sie, wo sie spielt und wo nicht? «Eigentlich nur danach, ob ich Lust auf ein bestimmtes Engagement habe und ob es zu mir passt. Denn ich spiele lieber an einer Ländlerchilbi als an einer Generalversammlung, bei der die Leute gar keine Wahl haben, ob sie mich hören wollen oder nicht.»
Aber auch die Vielfalt liebt Lisa Stoll. Sie mag neben dem Volkstümlichen auch klassische Programme und will künftig mehr konzertante Stücke auf dem Alphorn spielen. Je nach Genre seien die Herausforderungen anders – auch, was das Publikum betrifft. «An einem klassischen Konzert herrscht meistens eine kritische Atmosphäre, es ist fast, als würde das Publikum nach Fehlern suchen. An einer Stubete hingegen wollen alle einen tollen Abend haben. Diese Atmosphäre überträgt sich auch auf die Musiker.»
Wer ein Blasinstrument auf hohem Niveau spielen will, muss täglich üben – weil sich sonst die Lippenmuskeln zurückbilden. «Das ist wie beim Sport», sagt Lisa Stoll, «da braucht es eben regelmässiges Training.» Zusammen mit ihrem Freund, der ebenfalls Musiker ist, wohnt sie in einer Wohnung in Bad Ragaz. Und da packt sie täglich das Alphorn aus? «Ich habe Glück, unsere Vermieter sind richtige Fans», meint sie und lacht. Wenn immer möglich übe sie aber an anderen Orten. «Im Sommer gehe ich oft nach draussen und suche mir ein abgelegenes Plätzchen. Oder ich gehe in eine Kirche.» Auf Anmeldung? «Nein, da gehe ich einfach frech rein und übe. Rausgeworfen wurde ich noch nie!»
Konzerte mit der Swiss Lady am Alphorn live erleben im Rahmen der Obrasso Concerts im KKL Luzern.
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